Montagmorgen, 9 Uhr im Kindergarten St.-Willehad Nordenham. Umherlaufende Erzieherinnen. Kinder, die über die Flure stolpern. Vor einer Turnhallenbank steht eine kleine, schmale Frau mit dunklen Haaren und einer Jacke, auf der in großen Lettern „BASKita-Coach“ steht. Inga ist perfekt vorbereitet und schon früh vor Ort gewesen, um alles aufzubauen. Montags hat die Grundschullehrerin stets ihren freien Tag, so dass sie Zeit für ihre drei BASKita-Gruppen.
Um 9.05 Uhr trudeln dann die ersten Kinder ein: Jetzt ist Basketball angesagt! Zuerst spielt Inga mit ihnen „Lauf, Hase – Sitz, Hase“. Das Spiel soll die Kinder zum Rennen motivieren. Wuselnde Kinder, die abwechselnd kurz sitzen und laufen – und mittendrin Inga. Danach leitet sie einige Übungen an, mit denen die Kinder das Werfen und Dribbeln üben. Dann geht es an die Koordination und zuletzt an die Spielpraxis. In zwei Teams spielen die Kinder gegeneinander, werfen auf die Körbe und jagen den Bällen hinterher. Inga steht daneben, schaut zu und wirft hier und da ein paar Ratschläge rein.
Plötzlich pfeift Inga kurz in ihre Pfeife und die Kinder setzen sich sofort hin: Sitzkreis. Reihum verteilt sie Stempel in die BASKita-Fibeln der Kinder, welche vorbildlich mitgearbeitet haben. Anschließend kramt sie einen pinken Schuhkarton aus ihrem Rucksack, der erkennbar schwer ist. „Wie ich Euch letzte Woche versprochen habe, habe ich heute meine ganzen Medaillen mitgebracht. So viele könnt Ihr auch besitzen, wenn Ihr nur fleißig weiter Sport macht“, erklärt die Litauerin den Kindern. Diese sind beeindruckt und ein Raunen geht durch den Kreis.
Gruppe für Gruppe spielt sie mit den Kindern, erklärt ihnen, was sie tun müssen. Jede Stunde endet mit einem Sitzkreis, den Stempeln in die BASKita-Fibeln und natürlich einem Blick in Ingas Medaillen-Schuhkarton.
Die 49-jährige Inga Januševičienė ist Sportlehrerin und Ende 2018 vom basketballverrückten Litauen nach Deutschland gekommen – der Karriere und der Liebe wegen. Hier arbeitete sie dann zuerst als Vertretungslehrerin und seit einiger Zeit wieder als Sportlehrerin an der Oberschule 1 Nordenham. Zusätzlich engagiert sie sich im Baskets4Life e.V., wo sie nur kann. Ihr ganzes Leben dreht sich seit jeher um Sport.
In Litauen war Inga Leistungssportlerin. Die größte Errungenschaft der ehemaligen Leichtathletin war der Meistertitel. „Das war allerdings, als ich noch jung und hübsch war“, ergänzt die 49-jährige. Im Zuge dessen war sie 1990 auch das erste Mal in Deutschland, genauer in Offenburg beim Internationalen Schulsportfest. Später musste sie dann ihre Karriere beenden. Eine Verletzung an der Hüfte war schuld.
Danach ging sie zur Uni. Mit ihrem Abschluss wurde sie Sportlehrerin, arbeitete an mehreren Schulen und engagierte sich außerschulisch. Für ihre Tätigkeit als Lehrerin wurde sie mehrfach ausgezeichnet.
Immer wieder scrollt sie auf ihrem Handy durch die Bildergalerie, in welcher etliche Fotos verschiedenster Wettkämpfe zu sehen sind. Mit ihren Schulen hatte sie im sportlichen Bereich einiges zu tun. Fußball, Schach, Tauziehen, Darts und Handball sind da nur einige Beispiele.
Ihr größtes Engagement steckte sie allerdings in den Basketballsport – wie das in Litauen so üblich ist. Zusammen mit ihrer Schule nahm sie an zahlreichen Basketballturnieren teil, konnte auch eine Menge Treppchen-Platzierungen erreichen.
„Das ist Basketball… Basketball… wieder Basketball – alles nur Basketball“, murmelt Inga in ihr Handy, während sie weiter nach Fotos sucht. Da fällt ihr eines in den Blick, welches die Flure einer ihrer alten litauischen Schulen zeigt – hier schmücken Vitrinen voll mit unzähligen Basketballpokalen die Wände.
Ihre größte Errungenschaft beim Schulsport? „Da muss ich nicht lange überlegen. Das war das Finalturnier beim 3x3-Basketball. Meine Mannschaft hat dort mit einem Punkt Vorsprung den Sieg geholt und damit auch den Meistertitel. Das war wirklich mehr als aufregend“, berichtet Inga.
Einer ihrer ehemaligen Schüler spielt mittlerweile in Litauens erster Liga. Inga macht das glücklich. Ihr höchstes Ziel sei es immer schon gewesen, andere nachhaltig zu begeistern und ihnen etwas mit auf den Weg zu geben, was ihnen im späteren Leben hilft.
Nicht nur in der Schule engagierte sie sich: Sie war außerdem Fußballtrainerin und hat an mehreren Projekten gearbeitet, verschiedene Mannschaften trainiert. Ihr liebstes Projekt war, als sie Fußballturniere für Kinder im Kindergartenalter organisierte.
In Deutschland angekommen, wollte sie sich allerdings nicht so ganz von der Fußballbegeisterung anstecken lassen. Ihren Fokus legte sie hier auf den Basketballsport.
Sie suchte in Oldenburg nach einem Deutschkurs und fuhr dabei an der Großen EWE Arena vorbei. „Da war mir sofort klar, dass ich dort etwas machen möchte. Ein erfolgreicher Basketballverein in meiner Nähe? Das war perfekt für mich“, berichtet Inga.
An ihrer jetzigen Schule in Nordenham wollte sie dort anknüpfen, wo sie in Litauen aufgehört hat: Preise gewinnen mit einer Basketballmannschaft. Sie fragte ihre Schulleitung und diese teilte Inga dann zwei Basketball-AGs zu, mit denen sie auf dem anliegenden Streetballcourt wöchentlich trainiert.
Zu den Kindern und Jugendlichen hat sie immer einen besonders guten Draht. „Mein Ziel ist es, dass mich die Jugendlichen auf der Straße begrüßen und nicht einfach vorbeigehen“, erläutert die Sportlehrerin. Jede Person soll eine Aufgabe haben, das ist ihr besonders wichtig: Wer nicht spielt, der muss dann halt zur Pfeife greifen. Auch nimmt sie die älteren Basketballer mit zu ihrer AG im jüngeren Jahrgang – hier sollen sich die Großen als Trainer versuchen.
Weiterhin organisiert sie an ihrer Schule regelmäßige Basketballturniere, damit die Kinder und Jugendlichen ein Ziel haben, auf das sie hinarbeiten können. Mit einer Gruppe hat sie beim Streetbaskets4Life-Turnier teilgenommen und den dritten Platz erreicht.
Zum Projekt BASKita ist Inga zufällig gekommen und war sofort begeistert. Ihre Schulleitung unterstützt sie bei ihrem Vorhaben: Inga darf sich montags frei nehmen, um in ihrer Kita die drei Gruppen zu unterrichten. Dafür ist sie der Schulleitung mehr als dankbar.
Bereits in Litauen hatte sie einen Schüler, den sie vom Kindergarten bis in die Profikarriere betreut hat. Das war für sie ein besonderes Erlebnis, was sie so auch weitergeben möchte. Sie möchte den Kindern früh die Begeisterung für Sport und Bewegung mitgeben. Inga weiß: Diese Begeisterung kann dann im weiteren Leben immer weiter ausgebaut werden.
„Mein Ziel für BASKita ist es, dass die Kinder am Ende ein Gefühl dafür bekommen, wie man Basketball spielt., meint Inga. Gerne möchte sie auch ihnen die Möglichkeit geben, an einem Turnier im Sommer teilzunehmen – als Anreiz sozusagen. Die Kinder könnten dort dann ihre erlernten Basketball-Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Für sie bedeutet das Engagement im Baskets4Life e.V., Teil einer Gemeinschaft zu sein. Inga trainiert Leichtathletik und spielt selbst seit ein paar Monaten Korbball. Sport gibt ihr die Möglichkeit, andere Menschen kennenzulernen. Auch wenn sie beim Korbball noch mit dem Regelwerk kämpft und gerne mehr Punkte erzielen würde, ist das für sie mittlerweile zweitrangig – mehr kommt es ihr jetzt auf die Erlebnisse und Erfahrungen an, die sie sammeln kann.
Dann ist es 12.30 Uhr. Die Kinder werden von ihren Eltern abgeholt. Im Vorbeigehen winken sie ihrer Übungsleiterin freundlich zu: „Bis nächste Woche, Inga!“ Inga lächelt, winkt zurück und räumt dabei den Raum weiter auf. Es soll unbedingt alles wieder so sein, wie sie es zu Beginn vorgefunden hat. Denn: Inga legt einen besonderen Wert auf Disziplin und Ordnung. Sie sucht ihre Medaillen wieder zusammen und legt sie zurück in den Schuhkarton. Die Medaillen sind ihr besonders wichtig, denn sie zeigen, was Inga schon in ihrem Leben alles erlebt und erreicht hat: „Wer selbst sportbegeistert ist, kann die Freude am Sport besser vermitteln und die Kinder damit auch motivieren.“